Durch die Verbreitung von Neusprech über die Netzwerke der Macht soll der Bevölkerung der Verstand vernebelt werden.
Die westlichen Demokratien sind inzwischen mit einem dichten Gespinst sogenannter Nichtregierungsorganisationen durchzogen, die jedoch vom Grundsatz her allesamt einer Richtung folgen — einer neoliberalen Agenda angeblich freier, offener Märkte. Dabei bedienen sich Politik und Medien exzessiv dieser Netzwerke. Oder richtiger gesagt: Diese Netzwerke bedienen sich freimütig der Politik und Medien.
Im Zuge einer anstehenden Veranstaltung zum Weltfriedenstag der Vereinten Nationen wurde ich auf ein Symposium aufmerksam gemacht, in dem Friedensthemen behandelt werden möchten. Die Organisatoren konnten als Podiumsgäste
„zwei sehr kompetente Wissenschaftlerinnen, die Friedens- und Konfliktforscherin Sahra Brockmeier vom Global Public Policy Institut (GPPi) und Dr. Nina Thomson, eine herausragende Analystin der Entwicklung des Weltordnungs-Systems im Zeitraum der US-Präsidentschaften von Clinton bis Obama gewinnen“ (1).
Da ich auch persönlich zu dieser Veranstaltung eingeladen wurde, tat ich das, was ich seit einiger Zeit immer tue, wenn ich neue Menschen kennen lernen darf. Ich befasse mich schon im Vorfeld mit ihrer Biografie, ihrem gesellschaftlichen Umfeld und dem Inhalt ihrer Arbeit. Das ermöglicht mir, ihre Perspektiven einnehmen und ihre Ansichten verstehen zu können. Verstehen heißt nicht, dass man Ansichten teilt. Verstehen heißt, sich mit einer gewissen Offenheit auf die Sicht zuzubewegen. Damit ist kein Verstricken in die Sicht des Gegenübers und seiner Persönlichkeit verbunden, kein Solidarisieren, aber auch kein Abwerten. Es lässt sich schlicht mit Achtung und Respekt umschreiben.
Für Menschen, die sich der Friedensbewegung aktiv verschrieben haben, ergibt sich an dieser Stelle eine große Herausforderung.
Denn das Verstehen allein — so meine erworbene Erkenntnis — genügt natürlich nicht, um aus dem Verständnis einer neuen Sicht auch einen signifikanten Mehrwert zu erzeugen. Die eigene Aktivität kann sich nicht im reinen Besuch und Konsum einer solchen Veranstaltung erschöpfen. Friedensarbeit äußert sich nicht darin, auf andere zu warten, die einem sagen, was man zu tun und zu lassen hat, aber auch nicht in reiner Zustimmung oder Ablehnung. Gerade bezogen auf eine Veranstaltung wie die obige ist eine Interaktion erforderlich, die über den konsumierten Vortrag hinausgeht. Es muss tatsächlich — also nicht nur als Alibifunktion eingebettet — die Möglichkeit eines intensiven Austauschs gegeben sein und ich selbst bin gefordert, schon im Vorfeld meine Skepsis in Fragen aufzubereiten.
Missbrauch von Sprache in Diensten der Macht
Es gibt da ein großes Problem mit unserer Sprache. Unsere Muttersprache wird zunehmend deformiert und ihr lebendiger, aussagekräftiger Wortschatz von der Realität abgekoppelt. Wo lässt sich das besser sichtbar machen, als bei den Worten „Krieg“ und „Frieden“? Von Frieden reden alle, auch dass sie ihn für das Wichtigste halten. Doch wird allenthalben von Frieden geredet, um Krieg führen zu können. Beispiele für solche Begriffe gefällig, die rege genutzt werden, um blumig Kriegshandlungen zu umschreiben?
Hier sind einige:
„Friedensmissionen“, „humanitäre Einsätze“, „humanitäre Intervention“, „humanitäres Völkerrecht“, „Krisenprävention“, „Stabilisierungsmaßnahmen“, „Resilienz“, „Subsidarität“, „globale Governance“, „internationale Gemeinschaft“, „deutsches Engagement“ und so weiter und so fort.
Daher bedeutet es für mich — um auf die oben angekündigte Veranstaltung zurückzukommen — rational (!) erst einmal gar nichts, wenn ein Mensch als „Konflikt- und Friedensforscherin“ angekündigt wird. Dafür geschieht emotional so einiges. Einmal führt der Begriff zu einem instinktiven Mehr an Vertrauen. Frieden ist gut, Menschen die sich mit Frieden befassen, sind „logischerweise“ auch gut. Zum anderen wächst bei so etwas seit einigen Jahren in mir ein inneres Unbehagen, ein tiefes Misstrauen.
Denn der Missbrauch von Sprache, um etwas zu transportieren, was die Sprache gar nicht aussagt, durchzieht inzwischen das gesamte gesellschaftliche Leben. Sprache wird für Machtinteressen faktisch mit Gewalt in einen Kontext gepresst, der dem eigentlichen Inhalt geradezu diametral entgegensteht. Sprachlich in sich konsistente und damit sehr wohl sinnvoll interpretierbare Friedensbotschaften werden mittels subtiler, manipulativer Methoden geschickt in geistige Gewaltakte eingebettet, die uns für Kriege empfänglich zu machen suchen.
Dieser Betrug bringt mich in gefühlsmäßige (!) Dissonanz, in einen echten Konflikt. Ich werde hellhörig und beginne zur damit verbundenen Aussage beziehungsweise Persönlichkeit zu recherchieren. Das Ergebnis dieser Recherche — und das ist eine weitere Herausforderung — sollte nicht von vornherein feststehen!
Im Mai 2017 war die eingangs erwähnte Sarah Brockmeier Mitverfasserin eines Artikels, der beim Hague Insitute for Global Justice (Institut für Globale Gerechtigkeit in Den Haag) und auch beim Global Public Policy Institute veröffentlicht wurde. Dort lesen wir unter anderem (Übersetzung und Hervorhebungen durch den Autor):
„Angesichts der anhaltenden massenhaften Grausamkeiten belastet das Nichteingreifen in das Morden in Syrien das Gewissen der internationalen Gemeinschaft schwer. In der schwersten humanitären Krise der Welt haben sich nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch die internationale Gemeinschaft insgesamt als unwillig oder unfähig erwiesen, die Gewalt zu kontrollieren und abzuschwächen“ (2).
Zudem übt sich der Artikel in mahnenden Worten, die Fortschritte in Sachen Internationaler Strafgerichtshof (IStGH) und Responsibility to Protect (R2P) auszubauen sowie „die subsidäre Gemeinschaft zum Schutz bedrohter Bevölkerungsgruppen zu übernehmen“. Abseits der da vermittelten, desinformierenden Propaganda ist zudem Folgendes zu sagen:
Hier werden neue globale Ordnungsprinzipien vermittelt, deren Nutzung in der Hand von Machtgruppen außerhalb der Nationalstaaten gedacht ist — eben global! Wohin die Reise diesbezüglich geht, durften wir im Libyen des Jahres 2011 sehen. Begonnen hatte es jedoch schon lange vorher, spätestens mit dem Krieg gegen Jugoslawien im Jahre 1999. Die neuen Ordnungsprinzipien sind von Macht getriebene und selbstredend mit Gewalt verbundene Repressionsinstrumente, um die Souveränität von Nationalstaaten aushebeln zu können.
In diesem Sinne war auch der sogenannte Internationale Gerichtshof zu Jugoslawien ein erster Testlauf. Machen wir uns nichts vor: Hier geht es nicht um Frieden, sondern darum, für bestimmte Machtgruppen eine institutionelle, juristisch gedeckelte, weltweit — global — anwendbare Lizenz zur Gewaltanwendung zu schaffen.
Deshalb meine ich: Aussagen wie die obige sind für einen Menschen in der Rolle und mit dem Anspruch einer Friedens- und Konfliktforscherin ziemlich dünn. Dass westliche Staaten zum Eingreifen in Syrien ganz und gar nicht unwillig sind, beweisen sie bis zum heutigen Tag. Sarah Brockmeier serviert uns jedoch die klassische B-Geschichte, welche die Menschen auf krasse Weise fehlinformiert und gerade Deutschlands Verantwortung für den immer noch stattfindenden Syrien-Krieg verschweigt.
Sarah Brockmeier hat — ausgestattet mit dieser Sicht auf Konflikte, die durch unser Land mitverursacht wurden — entsprechende Vorträge an der Deutschen Akademie der Bundeswehr und der Studienstiftung des deutschen Volkes gehalten. Die Themen lauteten: Verantwortung zu schützen — eben jenes unsägliche R2P — sowie UN-Friedenserhaltung im Rahmen einer sogenannten global Governance — siehe auch weiter unten (3, a1).
Das Global Public Policy Institute — und somit auch Sarah Brockmeier — beraten das deutsche Außenministerium im Sinne eines ihrer Ansicht nach neu zu schreibenden Völkerrechts. Das, was das Institut an Ideologie dem Auswärtigen Amt einträufelt, perlt folgerichtig aus den Mündern der dortigen Politiker, so auch aus dem eines gewissen Herrn Maas, der die „internationale Gemeinschaft“ — beachte: allein das ist schon Propaganda — auffordert (Hervorhebungen durch den Autor):
„Konsequente Strafverfolgung von Kriegsverbrechen und bei schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts, Einfluss auf bewaffnete, nichtstaatliche Gruppen ausüben, das humanitäre Völkerrecht zu achten, Kenntnis über das humanitäre Völkerrecht im Rahmen von Mission und Hilfseinsätzen stärken, Zugang für humanitäre Helfer zu notleidenden Bevölkerungsgruppen durchsetzen“ (4).
Es strotzt nur so von „humanitär“. Die eigene deutsche Rolle durch eine einmalig rosarote Brille betrachtend, ist sich Heiko Maas daher auch nicht zu blöd, „nachdrücklich“ zu fordern (Hervorhebungen durch den Autor):
„70 Jahre nach Verabschiedung der Genfer Konventionen sind geschützte Personen tagtäglich Opfer von Gräueltaten und Willkür. Die Staatengemeinschaft muss handeln, damit der Tabubruch nicht zum Dauerzustand wird“ (5).
Die erste Hervorhebung weist auf die hinterhältige Methode des Abzielens auf Emotionen wie Mitgefühl und Solidarität hin, um Menschen zu vereinnahmen. Hervorhebung zwei kann Sie darauf aufmerksam machen, dass hier nicht mehr diskutiert werden soll, weil nämlich ein alternativloser Handlungsbedarf bestünde.
Immerhin sitzt das Institut, für welches Sarah Brockmeiner tätig ist, in Berlin. Sollte man dort tatsächlich noch nie etwas vom Wirken der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) und deren verhängnisvollen Rolle für Syrien gehört haben? Das schließe ich für sie und auch Heiko Maas definitiv aus, was ich weiter unten begründen werde.
Kann oder darf die „Friedensforscherin“ Sarah Brockmeier die Realität nicht sehen? Wenn ja, welche Ursachen könnte es dafür geben? Um das herauszufinden, ist es sinnvoll, das Global Public Policy Institute (GPPi) und das Institut für Gerechtigkeit in Den Haag doch etwas näher in Augenschein zu nehmen.
Von Macht geschriebenes Völkerrecht im Dienste einer neuen Weltordnung
Befassen wir uns an dieser Stelle nicht mit dem Sinn oder Unsinn einer Herstellung „globaler Gerechtigkeit“. Nur so viel: Missliebige Staatsführer beliebig abzustrafen und Präzedenzfälle zu schaffen, mit denen das allgemein anerkannte Völkerrecht, insbesondere die Souveränität von Staaten, ganz nach dem Gustus herrschender Macht ausgehebelt werden kann, haben in keiner Weise etwas mit Friedenssicherung zu tun. Aber sie stehen in Zusammenhang mit der Schaffung einer neuen Weltordnung, ganz nach dem Bilde zweifelhafter Menschenfreunde.
Doch ist schon die Liste der Partnerorganisationen ein Augenöffner. Da hat das Institut für Gerechtigkeit einiges zu bieten: Brookings Institution, Chatham House und die Roosevelt Foundation, das Doha Institute, den Internationalen Strafgerichtshof zum ehemaligen Jugoslawien, das Qatar Leadership Centre, die Qatar University; weiter die Botschaften Georgiens, Litauens, der Schweiz, der Niederlande, Großbritanniens und weiterer. Dazu kommt das Global Centre for the Responsibility to Protect (schon wieder R2P), das United States Institute of Peace (USIP), diverse UN-Organisationen — und nicht zu vergessen die GPPi (6).
Die GPPi beschreibt sich so (Übersetzung durch den Autor):
„Das Global Public Policy Institute (GPPi) ist eine unabhängige, gemeinnützige Denkfabrik mit Sitz in Berlin. Unsere Mission ist es, die globale Governance durch Forschung, Politikberatung und Diskussion zu verbessern“ (7).
Wer benötigt eigentlich „globale Governance“? Gibt es zudem auch eine saubere deutsche Entsprechung? Ja, natürlich: globales Regierungshandeln oder auch globale Steuerung. Noch einmal: Wer benötigt so etwas — die deutsche Regierung? Oder benötigen afrikanische Staaten „globales Regierungshandeln“, also das Handeln einer globalen Regierung? Der Begriff fühlt sich gut an, doch hinter ihm verbirgt sich der durch Macht getriebene Versuch, eine Rechtsordnung nach dem Sinne derer zu schaffen, die sie schließlich völkerrechtlich legitimiert, sich auch mit Gewalt (!) in die hoheitlichen Belange von Staaten einzumischen.
40 Prozent der Mittel bezieht die GPPi aus Steuergeldern, aus dem Budget des Bundesfinanzministeriums und der Europäischen Union. Die GPPi arbeitet direkt für — nicht nur — deutsche Regierungsbehörden. Nennt man das Unabhängigkeit? Ein knappes Drittel des Budgets wird über Stiftungen gedeckt, Stiftungen von Konzernen und Parteien: Bertelsmann-Stiftung, Fritz-Thyssen-Stiftung, Volkswagen-Stiftung, Robert-Bosch-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und — nicht zu vergessen — die Open Society Foundation (8).
Die GPPi ist nicht unabhängig
Warum finanzieren Konzernstiftungen solche „unabhängigen“ Denkfabriken? Weil Konzerne nichts anderes im Sinne haben, als edles, uneigennütziges, der Sorge um den Planeten verpflichtetes Handeln? Oder weil sie doch eher ihre eigenen Interessen maximal in der Gesellschaft vertreten sehen möchten? Stiftungen sind ein weiterer, sich gut anfühlender Begriff. Sie schweben in einer Wolke von Selbstlosigkeit und Gemeinnützigkeit. Doch ist ihr Zweck — zumindest was Konzerne betrifft — profan: Es ist ein Steuersparmodell. So lässt sich nämlich ein Lobby-Verein als gemeinnützige Gesellschaft betreiben.
Wir waren — wieder einmal — bei der „Offenen Gesellschaft“ eines Hedgefonds-Milliardärs namens George Soros. Die von ihm ins Leben gerufene Open Society Foundation, die inzwischen wie ein Krake Ministerien und Organisationen westlicher Staaten durchdringt bis hin zur Europäischen Union, hat es auch der GPPi angetan.
Die Soros-Netzwerke sind viel später entstanden als jene etablierten von Rockefeller und Co, nämlich erst ab den 1970er Jahren. Es ist ganz erstaunlich, welch großen Einfluss die Open Society Foundation in historisch kurzer Zeit auf politische, ja gesellschaftliche Prozesse gewinnen konnte.
1991 wurde die Central European University gegründet und sie beschreibt das so (Übersetzungen und Hervorhebung durch den Autor):
„Im Jahre 1989 entwarf eine Gruppe visionärer Intellektueller — meist prominente Mitglieder der antitotalitären demokratischen Opposition — die Idee einer internationalen Universität, die den Übergang von der Diktatur zur Demokratie in Mittel- und Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion erleichtern sollte. Zu ihnen gehörte George Soros, der ungarisch-amerikanische Finanzier und Philanthrop, der zwei Jahre später die Central European University gründete“ (9).
Das Entscheidende lassen die Verfasser weg. Nämlich woher der „Finanzier und Philanthrop“ seine Einkünfte bezieht: aus hochspekulativen Finanzgeschäften. Die „Visionäre“ stellten zudem kein neues gesellschaftliches Konzept in den Raum, sondern befassten sich mit der raschesten und effektivsten Abwicklung der ehemaligen sozialistischen Staaten, hin zu profitablen neuen Märkten, mit einem von der westlichen Wertegemeinschaft bereits vorher bestimmten und nun übergestülpten demokratischen Überbau.
Die Investitionen des George Soros in diese Universität sollten sich in barer Münze auszahlen, sein Hedgefonds dürfte in den folgenden Jahren, ja bis heute, Milliarden an den „Transformationen“ in den früheren Ostblockstaaten verdient haben (a2).
Im Jahre 1995 wurde der Hauptsitz dieser privaten Universität in die ungarische Heimat von George Soros verlegt, nach Budapest.
Im Geschäftszeitraum 2017 bis 2018 standen innerhalb dieser Universität den Aufwendungen von etwa 57 Millionen Euro Einnahmen von 59 Millionen Euro gegenüber (10). Da wurden so einige Summen gewälzt, und ein Außenstehender fragt sich oft, wie solche Geldflüsse zustande kommen. Auf jeden Fall gibt auch die Central European University einen bescheidenen Obolus an das selbstredend völlig unabhängige Global Public Policy Institute (GPPi) (11).
Gründer der GPPi ist Wolfgang Reinicke. Der war zuvor tätig — na, wo? Richtig, an der Central European University. Seine berufliche Karriere startete als Börsenhändler bei der Deutschen Bank. Mehr als ein Jahrzehnt hat er in den USA zugebracht. Dort wirkte der Professor für Ökonomie — raten wir, welches Mantra von Ökonomie er mit Leib und Seele eingesogen hat — an der mächtigen US-amerikanischen Denkfabrik Brookings Institution. Er war für den „Demokratie-Exporteur“ USAID und die Weltbank in Lohn und Brot (12, 13).
Völlig klar: GPPi ist ganz und gar unabhängig und deren ideologische Durchdringung wie auch die daraus resultierende Beratung für die deutsche Regierung wird nun — zumindest von dieser Seite her — endlich bald weltweiten Frieden bringen. Man verzeihe mir den Sarkasmus.
Direktor und Mitbegründer des GPPi ist Thorsten Benner. Man kann ohne weiteres sagen, dass Thorsten Benner gut im transatlantischen Fluss mitschwimmt. Bei der ZEIT, der Süddeutschen Zeitung, dem Handelsblatt, der New York Times, der FAZ, Foreign Affairs (a3) und weiteren bekommt er — und übrigens auch Sarah Brockmeier — das Podium dafür. In der Vergangenheit hat er für die Schwesterorganisation des Council on Foreign Relations, die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) gewirkt (14).
Insbesondere seine arrogante Haltung gegenüber Chinas Gesellschaft einerseits und auf der anderen Seite das hörige Nachsprechen US-amerikanischer Propaganda, die versucht, Huawei als Konkurrenten zu diffamieren und zu schwächen, ist auffallend. Huawei ist übrigens eine Genossenschaft, eine Kooperative, die zu einhundert Prozent ihren Mitarbeitern gehört und deren Aktien daher auch nicht an der Börse gehandelt werden (15). Das, was die US-Amerikaner gegenüber dem chinesischen Unternehmen betreiben, ist mit der Aufforderung an die Europäer verbunden, doch bitte in diesem Sinne mitzuspielen.
Jedenfalls beherrscht auch Benner die doppelbödige Sprache, welche der eigenen Seite vorrangig ethisch-moralische Interessen unterstellt, um — so wahrgenommene — Konkurrenten auf eben dieser Ebene abzuwerten. „Wir sind die Guten“, in diesem Glauben ist auch Herr Benner gefangen (16, 17). Was das aber mit Friedenspolitik zu tun haben soll, ist mir ein Rätsel — Zitat Benner:
„China hat sich als industrieller Kernwettbewerber Deutschlands positioniert und verfolgt sehr aggressiv seine sicherheitspolitischen Interessen. Gleichzeitig wird das politische System immer autoritärer, und die Menschenrechtsbilanz verschlechtert sich vielerorts dramatisch. Insofern steht die deutsche Strategie, eine immer stärkere wirtschaftliche Integration mit Peking zu verfolgen und von Peking als ‚strategischem Partner‘ zu reden, mittlerweile sehr nackt da“ (18).
Wo Chinas Menschenrechtsbilanz sich dramatisch verschlechtert und das Land seine Interessen angeblich aggressiv vertreten soll, konnte mir konkret noch keiner verraten — und auch Thorsten Benner tut das nicht. Aber er behauptet es — er betreibt Propaganda, er dient der Macht.
Das hier ist dann transatlantischer Singsang:
„Kontroverser wird es mit Blick auf sicherheitspolitische Fragen, wie die Diskussion um das schnelle Mobilfunknetz 5G als kritische Infrastruktur und die Rolle von chinesischen Technologieunternehmen, wie der Fall Huawei zeigt. Hier gibt es eine klare Spannung zwischen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen. Huawei liefert preiswerte und moderne Technologie zum Ausbau eines 5G-Netzes. Gleichzeitig birgt das Verbauen von Huawei-Technologie große Sicherheitsrisiken. Im Konfliktfall könnte der Parteistaat Huawei zu Sabotageaktionen gegen Deutschland verpflichten“ (19).
Ganz wie es der Partner auf der anderen Seite des großen Teiches wünscht, spielt Benner dessen Melodie. China soll gefährlicher sein als das Sammelsurium US-amerikanischer Geheimdienste, vorneweg die NSA, die ihrerseits seit Jahrzehnten unverfroren Daten aus deutschen Kommunikationsnetzen abgreifen und bei denen kein Mensch weiß, welche kleinen Fleißlinge in die vom Marktführer Cisco betriebene Netztechnik eingebaut sind (20).
Einen echten Schenkelklopfer des — aus meiner Sicht eindeutig gespurten — Thorsten Benner möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
„Dabei ist es nicht so, dass die außenpolitischen Interessen Deutschlands ein sonderliches Geheimnis wären: Frieden und Sicherheit, Wohlstand sowie Demokratie und Menschenrechte“ (21).
Bliebe noch hinzuzufügen: Natürlich weltweit — unter dem geht es gar nicht! Das ist sie, die täuschende Fassade, platziert vor den Interessen eines Systems, dass auf Gedeih und Verderb Zugriff — und zwar wachsenden Zugriff — auf die Ressourcen dieser Erde verlangt.
Noch ein Schmankerl von Herrn Benner:
„Nur wenn Demokratien zusammenstehen, können sie sich effektiv gegen übergriffiges Verhalten von Autokratien wie China und Saudi-Arabien zur Wehr setzen“ (22).
Leute aus jenem Land, das in den letzten über 70 Jahren das mit Abstand übergriffigste, sprich skupelloseste und zerstörerischste Verhalten mit vielen Millionen Menschenopfern als Ergebnis an den Tag legte, haben Thorsten Benner genau diesen Mist beigebracht.
Jetzt berät er die deutsche Außenpolitik — na Mahlzeit. Da passt es, dass der GPPi-Chef ein sonnenklares Feindbild hat:
„Maas jüngst: ‚Letztlich wollen doch alle eine Welt ohne Nuklearwaffen‘. Mit Blick auf die Entscheidungsträger in Peking, Moskau oder Islamabad eine gewagte These. Wir brauchen einen realistischen Blick nicht nur auf die eigenen Interessen, sondern auch auf die der anderen“ (23).
Noch hat er sich nicht getraut zu sagen, dass Deutschland Nuklearwaffen benötigt. Aber Geduld, das wird noch.
Intellektuelle sind gefährlich, wenn sie einen Hang zum Abheben haben. Denn dann kann man sie besonders gut indoktrinieren und sie sind fortan in der Lage, die Indoktrination in einer vor Selbstgefälligkeit strotzenden Sprache weiterzugeben.
Mit der GPPi ist also eine weitere Denkfabrik bemüht, private Interessen, auch solche, die gar nicht in Deutschland begründet sind, an den Mann zu bringen (a4). In einem sind sich die Fraktionen in Washington, jene um Trump wie auch die traditionell Neokonservativen, als deren politischer Star bis zu ihrer Entzauberung Hillary Clinton fungierte, sicher einig. Sie drängen auf einen weit geöffneten europäischen Markt — aber natürlich nicht für China oder Russland. Deshalb müssen die beiden für immer ins Reich der Parias verdammt werden.
Thorsten Benner hilft da gern mit. Locker und leicht schwingt er die Sanktionskeule und spielt mit dem Antisemitismus-Vorwurf, wo Politik nicht der schönen neuen Welt einer „Open Society“ –offenen Gesellschaft — folgen will — wie zum Beispiel in Ungarn (24).
Das ist der Chef einer Denkfabrik, die sich um den weltweiten Frieden bemüht?
Drei große deutsche Denkfabriken kamen in diesem Text zur Sprache: die SWP, die DPAG und das GPPi. Alle drei beraten die deutsche Politik und werden dafür von dieser und einer Reihe von Konzernstiftungen und sogenannten Nichtregierungsorganisationen belohnt — und alle vertreten vom Grundsatz her die gleiche Agenda — und pflegen die gleichen Narrative, einschließlich der Lügen zum Syrien-Krieg (25). Daher bin ich mir sehr sicher, dass Sarah Brockmeier weiß, welche Aktie Deutschland an der syrischen Tragödie hat. Wie extrem muss sich ein kluger, belesener Mensch verbiegen, um ideologisch so korrekt zu funktionieren?
Schlussfolgerungen
Bleibt die Frage: Wie gehen wir mit Sarah Brockmeier vom GPPi um — der Mitarbeiterin einer Denkfabrik, die entschlossen einer neoliberalen Agenda für Deutschland zuarbeitet, bei der mittels eines politisch-gesellschaftlichen Überbaus aus sogenannter good Governance der Zugriff auf fremde Ressourcen und Absatzmärkte zu sichern ist?
Innerhalb eines Friedenssymposiums — unter Teilnahme von Menschen, deren Arbeit die Politik der deutschen Regierung direkt beeinflusst — ergibt sich die Möglichkeit, vertiefende, kritische Fragen zu stellen. Wir haben die nicht allzu häufig gebotene Gelegenheit des vertikalen Durchgriffs nach oben innerhalb der bestehenden Machthierarchien. Solche Chancen dürfen wir gern nutzen. Das erfordert jedoch, eigene Mündigkeit und Kompetenz mutig zum Ausdruck zu bringen. Sie besteht darin, sich nicht von der abgehobenen Sprachkultur der „Experten“ abschrecken zu lassen, sondern unsererseits eine authentische Sprache einzufordern und sie selbst zu demonstrieren.
Wir sind gefordert, die Widersprüche im Argumentationskonstrukt der „Experten“ in allgemein verständlicher Art und Weise offenzulegen, samt der Grundannahmen, die uns untergeschoben werden, um darauf logische Konstrukte aufzubauen — die letztlich Kriege legitimieren. Weisen wir darauf hin, dass eine allein systemische Betrachtung in Friedensfragen unzureichend ist, denn um Menschen — auch jene in Denkfabriken — in Kriege zu ziehen, werden sie emotional getriggert, vor allem mit Ängsten und Bedrohungen. Das gilt es anzuerkennen und tatsächlich mutig zu verarbeiten.
Drängen wir achtungsvoll, aber unmissverständlich auf das Wesentliche: die durch die deutsche Politik nicht umgesetzte, doch aber per Grundgesetz verpflichtende konsequente Friedenspolitik, denn daran haben die in den Seilen transatlantischer Netzwerke und deutscher Konzerninteressen hängenden Denkfabriken einen entscheidenden Anteil.
Daher ist das Stellen solch unbequemer Fragen, die auf die aktiv kriegstreibende Rolle Deutschlands hinweisen und auf eine Änderung derselben drängen, unbedingt notwendig. Wenn das in Reihe gelingt, können Bürger den Beweis erbringen, dass sie mündig, kritisch und wachsam sind. Erst dann wiederum wird sich auch die Politik „da oben“ verändern. Bis dahin ist es augenscheinlich noch ein sehr weiter Weg.
Bitte bleiben Sie schön aufmerksam — und sprechen darüber.
Quellen und Anmerkungen:
(a1) Die zweite Rednerin des Podiums, Nina Thomsen (nicht Thomson, wie in der Einladung benannt), habe ich nicht weiter im Text gewürdigt. An der Universität Koblenz promovierte Nina Thomsen zum Thema: „Gefährdeter Westen: zur sicherheitspolitischen Reaktion der Clinton, Bush Junior und Obama I-Administrationen auf neue Sicherheitsbedrohungen und deren Weiterführung und Etablierungschance in der Nato“ (26). Auch hier erkenne ich das Prinzip, den Bock zum Gärtner zu machen und eine damit verbundene mangelhafte Fähigkeit, die eigene Verantwortung des Westens als Verursacher der Kriege in der Dritten Welt zu erfassen und somit zu benennen. Das lässt auch ein tieferer Blick in ihr Werk „Gefährdete Weltmacht USA“ erkennen, was keinesfalls die Anerkennung wichtiger Denkanstöße in dieser, ihrer Arbeit ausschließen möchte (27).
(a2) Soros erzielt seine spekulativen Gewinne offensichtlich über politische Einflussnahme. So gesehen spekuliert er also oft nicht auf den Gewinn, sondern er weiß von ihm im Voraus. Seine Risiken im Anlagegeschäft sind also geringer, als man glauben mag. Wenn eine Rating-Agentur wie Standard & Poors (S&P) die Kreditwürdigkeit der EU und Großbritanniens als Folge des Brexit senkte, dann dürfen wir uns von dem Irrglauben verabschieden, dass dies wirtschaftlich begründet ist (28). Vielmehr hebelte S&P mit seinen Ratings schon immer Entscheidungen auf der politischen Ebene. Es ist selbstverständlich reiner Zufall, dass George Soros mehrere hundert Millionen US-Dollar bei S&P angelegt hat (29).
(a3) Halten wir noch fest, dass für Foreign Affairs nicht jeder x-Beliebige schreiben darf. Das Blatt wird im Auftrag der in der westlichen Welt wohl einflussreichsten Denkfabrik, dem Council on Foreign Relations (CoFR) herausgegeben (30).
(a4) Natürlich kann die GPPi ihren sprachlichen Auftritt im Netz auch mit dem internationalen Geschäftsfeld begründen. Trotzdem ist es doch sehr erstaunlich, dass eine deutsche Denkfabrik den Großteil ihrer Publikationen in US-Englisch fasst.
(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.
(1) https://www.friedendresden.de/docs/BriefMitgliederEndEinladung.pdf; abgerufen: 13.9.2019
(2) Sarah Brockmeier und andere; 3.5.2017; https://www.gppi.net/2017/05/03/in-the-shadow-of-syria
(3) https://www.gppi.net/team/sarah-brockmeier; abgerufen: 13.9.2019
(4, 5) 12.8.2019; https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/internationale-organisationen/uno/maas-humanitaeres-voelkerrecht/2238488
(6) http://www.thehagueinstituteforglobaljustice.org/the-hague-approach/partners/; abgerufen: 13.9.2019
(7) https://www.gppi.net/about; abgerufen: 13.9.2019
(8,11) https://www.gppi.net/about/funding; 13.9.2019
(9) https://www.ceu.edu/about/history; abgerufen: 13.9.2019
(10) https://www.ceu.edu/about/facts-figures/revenues-expenses; abgerufen: 13.9.2019
(12) https://spp.ceu.edu/people/wolfgang-h-reinicke; abgerufen: 13.9.2019
(13) Paul Schreyer; 6.5.2018; https://www.heise.de/tp/features/Auswaertiges-Amt-Kriegsmarketing-statt-Friedensdiplomatie-4040802.html?seite=all
(14) https://www.zeit.de/autoren/B/Thorsten_Benner/index; abgerufen: 13.9.2019
(15) Georges Hallermayer; 11.9.2019; http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26191
(16) https://www.gppi.net/team/thorsten-benner; abgerufen: 13.9.2019
(17) Thorsten Benner; 15.9.2018; https://www.zeit.de/politik/2018-09/china-einflussnahme-macht-investoren-uebernahme-schutz/komplettansicht
(18) Thorsten Benner; 6.12.2018; https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-12/5g-netz-mobilfunk-huawei-deutschland-china-telekom-sicherheit/komplettansicht
(19,21-23) Thorsten Benner; 22.2.2019; https://www.gppi.net/2019/02/22/gegen-das-geschwurbel
(20) Martin Holland; 13.5.2014; https://www.heise.de/newsticker/meldung/NSA-manipuliert-per-Post-versandte-US-Netzwerktechnik-2187858.html
(24) Silke Mülherr; 9.4.2018; https://www.welt.de/politik/ausland/article175285911/Wahl-Auf-Deutschland-wird-es-ankommen-im-Umgang-mit-Orban.html
(25) Tobias Schneider; 17.2.2019; https://www.gppi.net/2019/02/17/the-logic-of-chemical-weapons-use-in-syria
(26) https://www.uni-koblenz-landau.de/de/landau/fb6/sowi/pw/abteilung/internationale-politik/forschung/promotionsbetreuung; abgerufen: 14.9.2019
(27) Nina Thomsen; Gefährdete Weltmacht USA; 25.4.2019; https://kola.opus.hbz-nrw.de/frontdoor/index/index/searchtype/authorsearch/author/Nina+Thomsen/docId/1837/start/0/rows/10
(28) 1.7.2016; https://www.welt.de/wirtschaft/article156727498/Standard-Poor-s-senkt-Kreditwuerdigkeit-der-EU.html
(29) 2018; https://www.finanzen.net/top_ranking/top_ranking_detail.asp?inRanking=1858&inPos=8
(30) https://www.foreignaffairs.com/about-foreign-affairs; abgerufen: 13.9.2019
Zuerst erschienen auf Rubikon CC4.0.