OTFW, Berlin – Selbst fotografiert CC BY-SA 3.0

Unser erster Infostand am 17. 06.2019 in Rastatt.

Wir haben damit an den letzten deutschen Volksaufstand erinnert.

Er wurde zum nationalen Feiertag des deutschen Volkes erklärt.

Ab dem 17. Juni 1954, also ein Jahr nach dem Aufstand, wurde er bis zur Widervereinigung als „Tag der deutschen Einheit“ gefeiert. Es war unser Nationalfeiertag.

Es lebe der Widerstand!

Die Ausstellung besteht aus einer Chronologie der Geschehnisse und Fotos in Form ca. 80 laminierten Ausdrucken im DIN A3 Format.

Wir haben 300 Flyer verteilt und viele interessante Gespräche geführt. Positiv überrascht waren wir von den vielen Zeitzeugen, die sich noch sehr lebhaft an Vorkommnisse und Zeitabläufe erinnern konnten.

Chronologie der Ereignisse

1952

Auf ihrer 2. Pressekonferenz  beschließt die SED den Aufbau des Sozialismus. Dadurch wird eine Verschärfung des Klassenkampfes eingeleitet. Bürgerrechte gibt es kaum und es wird im stalinistischen Geist und mit Härte regiert. Selbst wegen kleinster Vergehen wie Lebensmitteldiebstahl aus purer Not kommen viele Menschen ins Gefängnis.

1953

Die ökonomische Lage und die Versorgung mit dem Lebensnotwendigsten ist so miserabel, daß die KPdSU eine deutliche Kursänderung von der SED verlangt. Partei und Regierung sehen nur eine Möglichkeit: es soll mehr produziert werden bei geringeren Kosten.

14. Mai 1953

Das Zentralkomitee der SED beschließt die Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 %.

9. Juni 1953

Die SED verkündet ihren neuen Kurs mit folgenden Versprechungen:

Ende des Kirchenkampfes, Überprüfung von Urteilen, Freilassung von Inhaftierten, Rückgabe von Eigentum an Bauern und Gewerbetreibende, eine bessere Versorgung der Bevölkerung soll gefördert werden.

Doch mit dem Druck auf die Arbeiter wachsen Frust und Unzufriedenheit und „der neue Kurs“ wird als politische Bankrotterklärung angesehen.

15. Juni 1953

Ein Streik der Bauarbeiter an der Baustelle des Krankenhauses Friedrichshain, die eine Rücknahme der Normenerhöhung fordern, wird abgewendet.

16. Juni 1953

Führende Gewerkschaftsfunktionäre kommen an der Baustelle zusammen, um die Arbeiter davon zu überzeugen, daß eine Rücknahme der Normenerhöhung nicht möglich sei, da die SED weiter daran festhält.

Die Arbeiter befürchten, verhaftet zu werden, da die Baustellentore während der Versammlung verschlossen werden. Arbeiter von der Nachbarbaustelle Stalinallee kommen zu Hilfe, brechen das Tor auf und fordern die Kollegen auf, sich an der Demonstration zu beteiligen.

Spontan wächst die Menge auf 10.000 Menschen an, fordert den Sturz der Regierung, freie Wahlen und damit das Ende der SED- Herrschaft.
Für den nächsten Tag wird ein Generalstreik ausgerufen.

Bundesarchiv, B 145 Bild-F005191-0040 / CC-BY-SA 3.0

17. Juni 1953

In den frühen Morgenstunden finden Truppenbewegungen mit sowjetischen Panzern um Berlin herum statt. Der RIAS berichtet die Nacht hindurch bis in den Morgen über die Protestaktion am Vortag und gibt mehrfach den Zeitpunkt der für den nächsten Tag geplanten Demonstration bekannt.

Im SED- Zentralorgan „Neues Deutschland“ wird der Beschluss des Politbüros bekannt gegeben, dass die Normerhöhungen ein Fehler waren und zurückgenommen werden – jedoch zu spät.

Ab 6 Uhr

Tausende versammeln sich am Strausberger Platz und ziehen zum Regierungssitz. Zunehmend legen Betriebe die Arbeit nieder und schließen sich an, ständig treffen neue Demonstrationszüge ein. Sprechchöre fordern den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und die Einheit Deutschlands.

Ab 10 Uhr

alle Sektorengrenzschilder, Propagandaschilder und Fahnenmasten am Potsdamer Platz sind zerstört, Kioske und Baracken angezündet. Die Situation eskaliert.  Die Volkspolizeiwache im Columbushaus wird gestürmt, Waffen und Kleidungsstücke aus dem Fenster geworfen und der Westberliner Polizei übergeben, einige Polizisten übergeben sich in Westberliner Gewahrsam.

Ab 11Uhr

Die rote Fahne wird vom Brandenburger Tor geholt und zerrissen. Inzwischen ist die Zahl der Demonstranten vor dem Haus der Ministerien auf 100.000 angewachsen. Jetzt geht es nicht mehr um die Normen allein, das ganze System steht am Pranger. Mit diesen Losungen ziehen die Demonstranten durch die Stadt:

„Freie Wahlen“,

„Abzug der Russen“,

„Nieder mit Walter Ulbricht“,

„Wir wollen nicht nur haben Brot, sondern wir schlagen alle Russen tot“,

„Wir fordern den Generalstreik“,

„Nieder mit der deutsch-sowjetischen Freundschaft“,

„Wir brauchen keine SED“,

„Wir brauchen keine Volksarmee“,

„Nieder mit der Regierung Grotewohl“.

Gegen Mittag gelingt es den Demonstranten in einigen Städten Haftanstalten, Polizeidienststellen, Einrichtungen der Staatssicherheit, Gebäude der Stadtverwaltungen und der SED und Massenorganisationen zu stürmen. In Berlin werden das Haus des Zentralkomitees der SED belagert und Scheiben eingeschmissen, die Erstürmung der Gebäude wird durch sowjetische Truppen verhindert, ebenso am Karl-Liebknecht-Haus. Andere Demonstranten erstürmen ein Gebäude des Ministeriums der Staatssicherheit und das Verlagsgebäude der FDGB. Die Macht droht der SED völlig zu entgleiten. An manchen Orten werden die Zentralen der Partei, der Volkspolizei und der MfS besetzt. Die SED verfügt über kein Machtmittel mehr, den Aufstand zu ersticken. Eine reguläre Armee gibt es zu dem Zeitpunkt noch nicht. Ihre Rolle nehmen die paramilitärischen Verbände der kasernierten Volkspolizei ein, eine Art hochgerüstete Bereitschaftspolizei.

Die sowjetische Führung beschließt, ihre Rechte als Besatzungsmacht wieder wahrzunehmen und schickt Truppen in die Leipziger Str. und an den Potsdamer Platz. Am Zeughaus/ Unter den Linden fahren russische Fahrzeuge in eine Menschenmenge: 1 Toter

Simon Laird CC BY-NC-ND 2.0

Sowjetische Panzer und Volkspolizei beginnen, die Umgebung des Regierungssitzes mit Schusswaffen zu räumen. Dabei werden mehrere Menschen verletzt und getötet. Zahlreiche Demonstranten fliehen in den Westsektor oder werden dorthin abgedrängt. Wegen Schließung der Sektorenübergänge können viele nicht mehr zurück. 4000 Ostberliner werden bis Ende Juni in Behelfsunterkünften betreut.

Ab 13 Uhr

Auf Befehl des Militärkommandanten des sowjetischen Sektors wird in 167 (von insgesamt 217) Stadt- und Landkreisen der Notstand verhängt.

Befehle für die Herbeiführung der öffentlicher Ordnung:

  1. Ab 13 Uhr des 17. Juni wird im sowjetischen Sektor von Berlin der Ausnahmezustand verhängt.
  2. Alle Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen und sonstige Menschenansammlungen über drei Personen werden auf Straßen und Plätzen wie auch in öffentlichen Gebäuden verboten.
  3. Jeglicher Verkehr von Fußgängern und der Verkehr von Kraftfahrzeugen und anderen Fahrzeugen wird von 21 Uhr bis 5 Uhr verboten, diejenigen, die gegen diesen Befehl verstoßen, werden nach den Kriegsgesetzen bestraft.

Militärkommandant des sowjetischen Sektors von Berlin,
gez. Dibrowa, Generalmajor.

Stadtarchiv Eisenach, Bild 40.5 402 / NN / CC-BY-SA

Die Sektorengrenzen werden hermetisch abgeriegelt. Am Abend werden 20.000 sowjetischen Soldaten und 15.000 Angehörige der KVP eingesetzt. Der Verkehr ruht bereits und erst in den späten Abendstunden beruhigt sich die Lage. Von 21.00 bis 5.00 morgens wird DDR- weit eine Ausgehsperre verhängt. Der Befehlshaber der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland meldet abends nach Moskau, dass im Land weitgehend Ruhe herrsche und die Lage unter Kontrolle sei.

Auf Westberliner Seite werden bis Mitternacht 64 Verletzte und 3 Tote gezählt. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen.

Bis heute ist nicht geklärt, wie viele Menschen sich an Demonstrationen und Streiks beteiligt haben.

Die Zahlen schwanken von 400.000 bis 1,5 Millionen.

13.000 Menschen wurde festgenommen.

Die Zahlen der Todesopfer schwanken zwischen 50 und 250.

Die DDR macht Westdeutschland für den Aufstand verantwortlich und bezeichnet ihn als faschistischen Putschversuch.

Der SED und Regierung der DDR gelingt es nur schwer, in den folgenden Monaten, die Lage zu beruhigen und weitere Konflikte zu verhindern. Daher werden Konzessionen gemacht:

  • Die Normerhöhungen werden rückgängig gemacht
  • Die Löhne der Arbeiter werden angehoben
  • Die Nahrungsmittelindustrie wird anstelle der Schwerindustrie gefördert
  • Die Waren in den HO- Geschäften werden 10 % bis 25 % billiger.
  • Die Sowjetunion begrenzt die Besatzungskosten auf 5 % des Staatshaushaltes der DDR zu senken, auf Kriegsreparationen bis 1954 zu verzichten und liefert Getreide.
  • Betriebe, die sich seit dem Krieg in sowjetischem Besitz befinden, werden der DDR als Staatsbesitz übereignet.
  • Aus Angst vor Machtverlust wird der Repressivapparat ausgebaut, der bis zum Ende der DDR 1989 ständig vervollkommnet wird.

Für die westliche Welt wird der 17. Juni 1953 zum Symbol für den Freiheitswillen der Bevölkerung der DDR. Die Niederschlagung des Aufstandes durch sowjetische Panzer wird zum  offensichtlichen  Beweis der Abhängigkeit der DDR von Moskau. Damit ist sowohl für den Westen als auch für den Osten der Kurs und die Geschichte der deutschen Teilung bis zum Herbst 1989 bestimmt.

Tag der deutschen Einheit

 Das Gedenken an den Aufstand wurde zum nationalen Anliegen. Nur wenige Tage nach dem Aufstand verabschiedete der DeutscheBundestag mit überwältigender Mehrheit gegen die Stimmen der KPD das „Gesetz über den Tag der deutschen Einheit“.

Durch Gesetz vom 4. August 1953 wurde der 17. Juni in der Bundesrepublik Deutschland zum gesetzlichen Feiertag erklärt und zehn Jahre später durch Proklamation des Bundespräsidenten Heinrich Lübke vom 11. Juni 1963 zum „nationalen Gedenktag“ erhoben.

Bis zur Wiederherstellung der Deutschen Einheit im Jahr 1990 wurde der 17. Juni als „Tag der Deutschen Einheit“ begangen.

Nach Wiedererlangung der Deutschen Einheit wurde der 3. Oktober zum „Tag der Deutschen Einheit“ erklärt.

Das Gesetz vom 4. August 1953 wurde aufgehoben, die Proklamation des Bundespräsidenten vom 11. Juni 1963 hat aber nach wie vor Gültigkeit. Der 17. Juni war von da an ein Gedenktag.

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